»

Spritzgusswerkzeug


Werkzeugaufbau

Die meisten Formplatten unterteilt man in Düsenseite und Auswerferseite. In beiden Hälften ist die negative Kontur des Gießlings als Hohlraum vorhanden. Die Gießmaschine fährt diese beiden Formhälften, nach dem Gießvorgang (Einspritzen) und erfolgter Erstarrung, auseinander. Der Gießling verbleibt in der Ausstosserseite und wird mit der separaten Auswerfervorrichtung ausgeworfen. Die Kontur des Spritzlings erlaubt keine Unterschneidungen in Öffnungsrichtung. Falls die Kontur dennoch Unterschneidungen haben muss, werden zusätzliche Schieber eingebaut, die vor dem Ausstoßvorgang zurückgefahren werden.

Teile einer typischen Form sind danach:

    Aufspannplatte
    Formplatte Angussseite
    Formplatte Ausstoßseite
    Distanzleisten für die Auswerferplatten
    Auswerferplatten mit den Auswerferstößeln
    Aufspannplatte
    Anschlüsse für die Kühlbohrungen
    Heißkanal- oder Kaltkanaldüse

Gegebenenfalls kommen noch Schieber hinzu.


Für hohe Stückzahlen gibt es Dauerformen aus Stahl für Spritzguss (Kunststoff) oder Druckguss (Metall). Hier spricht man auch vom Stahlformenbau, der mit dem Werkzeugbau eng verwandt ist.

Es gibt auch sogenannte "Stammformen" und die dazu gehörigen Einsätze nennen sich "Wechseleinsätze", die man auswechseln kann. Es gibt auch Werkzeuge mit fest eingebrachten Einsätzen.

Verschleißfestere Formen bestehen in der Regel aus gehärtetem oder vergütetem Werkzeugstahl oder aus Hartmetall. Die meistens sehr genauen Formkonturen werden mit Hilfe von verschiedenen Werkzeugmaschinen nach Konstruktionszeichnung und NC-Daten eingearbeitet, zum Teil auch mit der Hand. Das macht die Herstellung einer Form zwar teuer, aber für die Herstellung von Bauteilen in großen Mengen ist dies ab einer gewissen Losgröße (Mindeststückzahl) kostengünstiger und schneller als die Teileherstellung ohne Formen (zum Beispiel mit CNC-Fräsen).


Bei der Verwendung einer Form wird ein unförmiges Material vom Werkzeug in die gewünschte Form gebracht. Bei dem Material kann es sich beispielsweise um weiche Matten, ein Granulat oder eine Schmelze handeln. Das Material wird mit unterschiedlichen Verfahren in das Werkzeug (also die Form) eingebracht:

    Mineralguss
    Spritzgießen (Verarbeitung von Kunststoff) (Thermoplast, Duroplast, Elastomer)
    Druckgießen (Verarbeitung von Nichteisen-Legierungen, z.  B. Aluminium, Magnesium und Zink)
    Spritzpressen
    Faserspritzen
    Formpressen
    Strangpressen
    Gesenkschmieden (Verarbeitung von Metall)

Diese Verarbeitungsverfahren können miteinander kombiniert werden. Auch können komplett unterschiedliche oder ähnliche Materialien in nacheinander folgenden Prozessen kombiniert verarbeitet werden.


Temperierung

Die Form muss in der Regel auf eine auf Prozess und Material abgestimmte Temperatur gebracht werden. Bei der Verarbeitung von Thermoplasten muss die Form kälter als die Schmelze sein, damit diese in der Form abkühlt und erstarrt. Die Kühlung einer Form bestimmt hier wesentlich die Zykluszeit in der Produktion und damit die Kosten des herzustellenden Serienteiles. Je besser die Kühlung, desto kürzer ist die Zykluszeit.

Bei Duroplasten und Elastomeren muss das Werkzeug wärmer als die Formmasse sein, damit diese in der Form vernetzt.

Um eine Temperierung zu erreichen, werden meistens Bohrungen zum Teil in mehreren komplizierten Kreisläufen, möglichst gleichmäßig und nahe an die Formpartie in das Werkzeug eingebracht. Ein flüssiges Medium (z. B. kaltes Wasser oder warmes Öl) durchfließt dieses während der Herstellung der Spritzgussteile. Die Schnittstelle wird meist über Schnellkupplungen gelöst. Dabei sollte eine Unverwechselbarkeit der Vor- und Rückläufe sowie eine dauerhafte und prozesssichere Lösung gewählt werden.

Mit einer Werkzeug-Temperierung kann folgendes beeinflusst werden:

    Zykluszeit (und damit die Kosten des herzustellenden Spritzteiles)
    Teileverzug oder Schwundverhalten (Qualität des herzustellenden Spritzteiles)
    Oberflächenbeschaffenheit des Spritzteiles (z. B. Glanz oder matt beim Kunststoffspritzteil oder bei Al-Legierungen)
    Qualität an der Stelle des Anspritzpunktes
    Lebensdauer des Werkzeuges

Eine Sonderform sind Einsätze zur konturnahen Temperierung mittels Kühlkanälen und einem Kühlmedium zur weiteren Verringerung der Zykluszeiten.

Angusssystem

Unter Anguss versteht man nach DIN 24450 den Teil des Spritzlings, der nicht zum Formteil gehört. Das Angusssystem der Form dient dazu, die vom Plastifizierzylinder kommende, aufgeschmolzene Formmasse aufzunehmen und in den Werkzeughohlraum zu leiten. Der Anguss, insbesondere seine Gestalt, seine Abmessung und seine Anbindung an den Spritzling beeinflusst den Werkzeugfüllvorgang und damit weitgehend auch die Qualität eines Spritzteils. Die Auslegung nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten (z.B. schnelles Einfrieren und kurze Zyklenzeiten) steht den Qualitätsanforderungen in vielen Fällen, insbesondere bei technischen Teilen, entgegen.

Der Anguss bzw. das Angusssystem besteht in der Regel aus mehreren Segmenten. Dies wird besonders deutlich bei Mehrfachwerkzeugen. Das Angusssystem besteht aus:

    dem Angusskegel, auch Angusszapfen oder Angussstange genannt, der die plastische Formmasse unmittelbar von der Düse, die den Plastifizierzylinder abschließt, übernimmt und die auf die Werkzeugebene, auf der er im Allgemeinen senkrecht steht, führt. Bei Einfachwerkzeugen bildet er vielfach allein das gesamte Angusssystem. Man spricht dann vom sogenannten Stangenanguss.

    dem oder den Angusskanälen, auch Angussspinne oder Angussverteiler genannt, der den Angusskegel mit dem oder den Angussstegen verbindet. Seine wesentliche Aufgabe besteht also, insbesondere bei Mehrfachwerkzeugen, darin, die Schmelze zu verteilen, und zwar derart, dass Material gleichen Zustands (gleicher Druck und gleiche Temperatur) gleichzeitig die Werkzeughohlräume füllt.

    und dem Angusssteg, dessen Querschnitt am Eintritt in das Formnest Anschnitt genannt wird (DIN 24450). Gebräuchlich ist dafür auch die Bezeichnung Anbindung.

Meist ist das Angusssystem gehärtet, um den Temperaturen, dem Druck und dem Abrieb (Verschleiß) widerstehen zu können. Häufig wird es auch beschichtet, um bessere Fließeigenschaften zu gewährleisten.

Das Material im Anguss erstarrt normalerweise mit dem Formteil und muss von diesem meist mechanisch entfernt werden. Es ist entweder Abfall oder wird recyclet. Weiterhin erhöht sich das pro Gießvorgang bereitzustellende Materialvolumen um das Angussvolumen, was einen erhöhten Bedarf an Maschinenkapazität nach sich zieht. Nach der Geometrie unterscheidet man zwischen:

    Stangen- oder Kegelanguss: siehe oben
    Band- oder Filmanguss: Hier wird über die ganze Breite des Formteils angegossen, um Spannungen und Verzug zu minimieren.
    Schirmanguss: Bei rotationssymmetrischen wird meist über die gesamte Stirnfläche angegossen, so dass ein ebenfalls rotationssymmetrischer, schirmartiger Anguss entsteht.
    Ring- oder Scheibenanguss: Zylindrische Bauteile werden oft von innen her über einen scheibenförmigen Anguss befüllt.

Folgende Angussarten werden selbständig abgetrennt:

    Abreiß-Punktanschnitt: Der Anguss wird so ausgestaltet, das eine dünne Sollbruchstelle am Anschnitt entsteht, die beim Entformen von selbst reißt.
    Tunnelanguss: Hier trennt eine Schneidkante beim Öffnen des Werkzeuges den Anguss vom Formteil ab.

Es ist auch ein angussfreies Gießen möglich. Dabei wird ein Erstarren des Materials im Anguss verhindert, so dass es in die Kavität gedrückt und für das nächste Formteil verwendet werden kann. Bei Thermoplasten, muss die Schmelze im Angusssystem dabei über der Werkzeugtemperatur gehalten werden, damit sie flüssig bleibt (Heißkanalsystem). Bei Duroplasten und Elastomeren muss das Angusssystem eine niedrigere Temperatur als das Werkzeug aufweisen, um die Vernetzungsreaktion zu verlangsamen (Kaltkanalsystem). Durch Nadelverschlussdüsen im Anschnittbereich ist es möglich, das Angusssystem während des Entformens zu verschließen, es gibt aber auch offene Düsensysteme.
Auswerfer

Die Auswerfereinheit, oder auch das Auswerferpaket, dient der Entformung eines gespritzten oder gegossenen Teiles. Es besteht im Wesentlichen aus einer Auswerfergrundplatte und einer Auswerferhalteplatte sowie von der Teilekontur abhängigen Anzahl, in der Regel runden Auswerfern. Die von der Halteplatte durch einen Bund festgehaltenen Auswerferstifte werden via Ausstoßbolzen der mit der Grundplatte und der Hydraulik der Maschine verbunden ist, nach vorne geschoben, um das Teil aus der Form auszuwerfen respektive auszustoßen.

Bei komplexeren Formteilkonturen kann der Auswerferstift auch aufwändigere Funktionen wie Schrägauswerfer, Konturauswerfer, Hülsenauswerfer oder Flachauswerfer beinhalten. Das Auswerferpaket ist in der Regel durch Rückdruckbolzen gesichert, die das Paket beim Schließen des Werkzeugs, falls es nicht zurückgezogen wurde, mit Gewalt zurückdrücken, um Fehlern im Programmablauf und damit einer Beschädigung der teuren Formpartien vorzubeugen. Es werden zusätzlich noch Endschalter verwendet, die die Endlage des Pakets vor dem Schließvorgang prüfen.
Schieber

Schieber dienen dazu, Partien zu entformen, die nicht in normaler Entformungsrichtung entformt werden können. Das heißt, dass das gespritzte oder gegossene Teil nicht durch das alleinige Öffnen der Form in der so genannten Trennebene entformt werden kann. Diese Partien nennt man Hinterschnitte.

Solche Hinterschnitte am Formteil können eine Form massiv verteuern, auch wenn diese nur sehr klein sind. Die Lage des Hinterschnittes, welche die Richtung der Entformung angibt, ist mitbestimmend für den Aufwand zur Herstellung eines Werkzeuges.

Schieber werden entweder mechanisch durch Schrägzugbolzen während des Öffnens der Form oder hydraulisch betätigt, um das Spritzteil oder Gussteil bei den Hinterschnitten zu befreien.
Aufspannung

Um eine Form in der Gießmaschine zu befestigen dient in der Regel beidseitig eine Aufspannplatte. Diese wird meistens mit Spannnuten versehen, die auf den entsprechenden Maschinentyp abgestimmt sind.

Die heutige Fertigung verlangt immer schnellere Wechsel der Produkte und damit kleinere Serien, die hergestellt werden (Just-in-Time). Bei den damit verbundenen häufigen Wechseln der Form auf der Produktionsmaschine kann ein Schnellspannsystem sinnvoll sein. Dieses vereinfacht die Aufspannung und den schnellen Anschluss von Kühlung, Hydraulik oder Pneumatik.



Die 4 Hauptaufgaben eines Spritzgusssswerkzeuges sind also:

- Kunststoffmasse leiten
- Kunststoffmasse formen
- Kunststoffmasse kühlen
- Formteil auswerfen


Werkzeug mit Kernzug

Unter einem kernzug wird an einer Spritzgießmaschine im allgemeinen eine Einrichtung verstanden, die Werkzeugelemente bewegt. Diese Werkzeugelemente können Kerne, Schieber, Backen usw. sein. Eingesetzt wird ein zumeist hydraulischer Kernzug immer dann, wenn eine Element (Kern) aus dem Werrkezug gezogen werden muss und dies nicht mechanisch über die Öffnungsbewegung geht.
Beispiel: Bevor das Werkzeug öffnet, muss ein Kern aus dem Artikel gezogen werden, wie bspw. an einer Rückenlehne eines Stuhles.

Die hydraulischen Leitungen zum Steuern der beweglichen Teile im und am Werkzeug können direkt an der Spritzgussmaschine angeschlossen und gesteuert werden. Das Medium Öl und der einstellbare Druck und Zeiten/Verzögerungen können an der Spritzgussmaschine eingestellt werden.
Der Kernzug kann zu bestimmten Wegen oder Zeiten im Zyklusablauf bewegt werden und wird über die Maschinensteuerung kontrolliert. Diese Einrichtung kann auch pneumatisch an der Spritzgussmaschine betätigt werden.


Die Signale für "offen/ausgefahren" oder "eingefahren" werden über Endschalter an die Maschinensteuerung weitergegeben. D.h.: Ist die Kernzugsteuerung an der Maschine aktiviert, läuft der Zyklus nur ab wenn die Endschalter entsprechend der Programmierung durchschalten.

Die befestigung des Hydraulikzylinder erfolgt meistens durch einschrauben oder einstecken in eine Nut, wenn etwas Spiel der Kolbenstange erforderlich ist.




Zuletzt geändert 29.02.16