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Beruf *Spritzgießer* gibt es nicht!..?
Behrens
Grünschnabel

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# 30.12.2015 - 19:38:41
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Ich möchte hiermit das immer wichtiger werdende Thema Qualität bei der Herstellung von Spritzgussteilen aufgreifen und die Frage *Warum gibt es den Beruf SPRITZGIESSER nicht?*
Spritzguss ist inzwischen ein komplexes Herstellungsverfahren, welches gut ausgebildete Spezialisten braucht!
Ich wundere mich, warum genau zu diesem Thema so wenig kritisch Hinterfragendes geschrieben wird, obwohl sich jeder Spritzgießer mit dem Thema "Qualität" tagtäglich "herumschlägt". Oder sind die Spritzgießer mit ihrer Produktion aus Tradition immer im grünen Bereich . . .?
Die „alten Hasen“ sagen: Null-Fehler-Produktion gibt's beim Spritzguss nicht, ist unmöglich(!) - ich habe leider diese Meinung sogar auch schon aus Führungsebenen von Spritzgießereien gehört! Dümpelt hier auf Grund einer traditionellen Meinung von ewig Gestrigen eine ganze Branche technologisch seit über 30 Jahren vor sich hin?
Verlässt man sich gar auf Maschinenbauer, die zwar exzellente Maschinen bauen, jedoch nicht Prozessphilosophien den Spritzgießern beibringen sollten.
Ich habe aus meiner langjährigen Spritzereileiter-Tätigkeit andere Überzeugungen, da mich diese Aussagen auch von "meinen alten Hasen in der Fertigung" Anfang der 90ger Jahre dazu gebracht haben, selbst einen anderen Weg zu finden und zu gehen – und siehe da: Es ging bzw. geht, Spritzgussteile lassen sich trotz schwankender Viskosität der Kunststoffe wiederholgenau herstellen! Nur müssten dafür die "alten Prozess-Philosophien" beim Spritzguss und die darauf basierende Ausbildung verlassen werden. Und hier liegt für die gesamte Branche das Problem:
Die Ausbildung befindet sich nicht auf dem Stand der Technik und sie zu oberflächlich bezüglich Prozesswissens!

Betrachtet man das große Angebot an Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Spritzgussbranche, stellt sich doch die Frage: Was wird eigentlich gelehrt? Was lernen die Spritzgießer in ihrer Ausbildung zum Facharbeiter? Diese Fragen sind noch drängender, wenn man in Betracht zieht, dass kaum ein Spritzgussunternehmen die geforderten Anforderungen der Kunden bezüglich Qualität erfüllt, und wenn, dann mit viel Mess- und Kontrollaufwand! Zusätzliche aufgeblähte QM-Systeme sind schon überall geforderter Standard.
Warum ist es für die am Prozess arbeitenden Mitarbeiter so schwer, die qualitative
Wiederholgenauigkeit der Teile zu erzeugen? Warum fehlt es bei allen in der Prozesskette Beteiligten am notwendigen umfänglichen Knowhow für "den Entstehungsprozess des Formteiles in der Kavität"? Hier liegt die Hauptursache des Problems! Wer versteht schon genau, was sich während der Ausformung im Werkzeug abspielt von "Beginn Einspritzen/Füllen der Kavität bis zur Formteilentformung"?

Damit hier kein Missverständnis entsteht: Es geht mir hier nicht darum, den Spritzguss schlecht zu machen, oder die Leistungen aller in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer in Frage zu stellen!
Es geht vielmehr darum, ein Umdenken in diesem Bereich hinsichtlich der Ausbildung anzumahnen! Die heutige Ausbildung der Spritzgießer wird bei Weitem nicht den Anforderungen des Berufes gerecht! DAS demotiviert die Mitarbeiter und besonders die Jugend, da der motivationsfördernde Erfolg in der täglichen Arbeit zu oft ausbleibt! Welcher Spritzgießer hat schon Spaß am Job, wenn sein ehrgeizig gestalteter Prozess nach einigen Stunden in Frage gestellt wird, weil immer wieder zwischendurch n. i. O.-Teile aus diesem Prozess entstehen, oder dass die Teile aus SEINEM Prozess nur nach 100%-Kontrolle zum Kunden dürfen? Alles Fragen und Überlegungen, die in der heutigen Situation der Branche mit angemessener Priorität (dringendst) angegangen werden müssen, wenn man nicht weiter an "den Prozessen tagtäglich optimieren" will!
Fakt ist: Qualität ist das Ergebnis des Entstehungsprozesses!
Ich bin zutiefst überzeugt, dass Wettbewerbsfähigkeit nur über Qualität und nicht allein über Preise nachhaltig auf Dauer erzielt werden kann!
K.S.
Grünschnabel

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# 01.02.2016 - 09:22:53
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Einfache Antwort:
Weil das komplette Wissen - von der Werkzeugauslegung bis zur 0-Fehler Produktion jede Ausbildung sprengen würde. Es ist zu viel, die Schnittstellen sind nicht definiert, es gibt keine standards usw.
Und weil es Firmen gibt wie Heißkanallieferanten, Spritzgießmaschinenlieferanten, Werkzeugbaulieferanten - sie Alle versuchen Ihre Mehrwerte zu verkaufen und der Endkunde glaubt damit ALLE Probleme der Kette gelöst zu haben. An sich reicht es wenn der Kunde in der gesamten Kette auf einen Wissenden trifft, dann steht er schon so viel besser da, das er einfach glauben muß den Stein der Weisen gefunden zu haben.

Herr Behrens, ich gehe davon aus, dass Ihnen jetzt ein Lächeln entwischt - Bier geht auf mich!

Andererseits gibt es wohl wenige Marktbereiche, wo Unwissende ihre Kostensenkungsprogramme so frei durchziehen dürfe, was wiederum dazu führt, dass für Technologie und Wissen nur im Notfall Geld ausgegeben wird. Zur Schadensbehebung wird dann ein Vielfaches aufgewendet, aber da hat man dann einen Schuldigen dem man dem Anwalt zum Fraß vorwirft.

Nach 30 Jahren Spritzguß hat man was zu erzählen!
Behrens
Grünschnabel

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# 01.02.2016 - 19:56:41
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. . . das liest sich ein bisschen wie Kapitulation Weinen

Nein, das sollte sich endlich ändern: Die Spritzgiesser müssen durch mehr Kompetenz beim Prozesswissen aus diesem Teufelskreis ausbrechen!! Glaub mir, ich weiss wovon ich rede: Habe selbst reichliche Zeit als Fertigungsleiter mich um all die Themen gekümmert . . . auch u. a. bei der Maschinenbeschaffung Anforderungsprofile festgelegt usw..
Alle Lieferanten um den Spritzgiesser - ich nenne es "Speckgürtel" - haben es doch nicht schwer, jede noch so sinnlose Technik zu verkaufen (Beisiel ist die mech. selbst(?)-schliessende Rückstromsperre oder auch die vollelektrische Maschine) . . . sitzt ihnen doch meistens ein Käufer gegenüber, der sich mit der elementaren Prozesstiefe nicht auskennt! Aber es sind nicht die Menschen in den Spritzereien, es ist die schlechte Ausbildung!! Elementares Prozesswissen wird nicht gelehrt und bei Prüfungen auch nicht abverlangt. Beispiel: Ohne Kurvengrafik kein Wissen über den Inhalt des Prozesses - aber: Wer muss bei der Abschlussprüfung den Prozess visualisieren und erklären? Wie auch, wenn der Prüfer das Thema auch nicht beherrscht? Bedenke: Diese Technik gibt es seit über 30 Jahren!!!

Es können sich doch immer alle ganz leicht hinstellen und grosse Sprüche über schlechte Spritzgiesser ablassen, jedoch: Solange keiner folgende Fragen beantwortet:
1. Warum müssen die Spritzgiesser immer noch trotz verfügbare "Hochtechnologie" an den Prozessen basteln, und das jeder nach seiner eigenen Rezeptur?
2. Warum wird ein immer größeres aufgeblähtes QM-System notwendig, da Qualität doch das Ergebnis des Prozesses ist? (Gleich vorweg: Es liegt nicht am Kunden, denn der Kunde will nur eines: Gleichbleibende gute Qualität)
3. Warum sind bei immer besserer verfügbarer Technik die althergebrachten Fehlerbilder (Grat, nicht voll ausgeformt, instabile Geometrie, Brenner, Einfall usw.) geblieben?
4. Warum gehen jeden Monat Kunststoffverarbeiter in den Konkurs und der Speckgürtel um sie herum (Maschinenbauer usw.) wird immer fetter?
usw., usw. . . .
wird sich nichts in den Spritzereien ändern.

Ursache: Die Prozesslehre ist in all den Jahren der technologischen Entwicklung und den steigenden Ansprüchen auf alten Philosophien stehen geblieben - die Ausbildung findet nicht auf dem Stand der Technik statt - traurig aber wahr!


Zuletzt modifiziert von Behrens am 01.02.2016 - 20:01:03
K.S.
Grünschnabel

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# 02.02.2016 - 08:46:25
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Hallo, Ich glaube schon, dass Sie Erfahrung haben. Das geht aus Ihrer Argumentation durchaus hervor. Haben Sie meine Signatur gelesen? Bin auch schon 30 Jahre dabei.

Zu 1.) Sind wir mal ehrlich, es gibt viel zu viele Schlechte. Und die basteln mangels Wissen.
Zu 2.) Der Kunde bewertet die Ergebnisse seiner gesamten Lieferantenbasis. Entsprechend 1. fordert er ein aufgeblähtes System, da die ganzen QS Berater ihm das als einzige Lösung verkaufen, um sich vor den Auswirkungen der Mangelqualifikation zu schützen. Siehe TS16949 TQM und deren Auslegungen der Unwissenden. Das macht der Kunde mit der Gießkanne über alle Lieferanten. Also selbst die, dies im Griff haben, müssen den immer weiter steigenden Papaierwahn abliefern.
Zu 3.) So wie Sie sagen - die in 1. werden egal welche Technik man ihnen zur Verfügung stellt idente Fehlerbilder liefern.
Zu 4.) Weil die Spitzgießer im Wesentlichen damit beschäftigt sind ihre Geschäft im Laufen zu halten, Weiterbildung durch Verkaufsrepräsentanten "funktioniert" und so immer mehr Technik eingekauft wird die dann eh nicht zu Einsatz kommt.

Ihre Ursachenanalyse kann ich so unterschreiben. Daraus resultiert die Reaktion des Kunden, ein umfassender Markt an Beratern (die zumeist zu 1. zuzuordnen sind) und damit ein zusätzlicher Druck auf die Branche.

Meine Erkenntnis: So lange auf der Kundenseite keiner ist, der die Leistungen des Lieferanten bewerten kann, so lange zählt nur der Preis. Alternativ wäre auf Kundenseite eine Gesamtkostenkalkulation hilfreich. Diese würde aber das Abteilungsdenken, die Kuvertempfänger usw. in Frage stellen und ist daher nicht gewünscht.

Nach 30 Jahren Spritzguß hat man was zu erzählen!
Behrens
Grünschnabel

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# 02.02.2016 - 12:05:31
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Es geht mir hier nicht um "Erfahrung Einzelner", es geht mir darum, den IST-Zustand der Branche aufzuzeigen. Komischerweise erlebe ich, dass genau DIE mit den langjährigen Erfahrungen (die EwigGestrigen) diejenigen sind, die "neues Prozessdenken" verhindern - übrigens ist das das größte Problem!
Also was nutzt langjährige Erfahrung, wenn man nicht ständig offen für "andere Sichtweisen" ist . . . der Leitsatz sollte "Stillstand ist Rückschritt" sein, aber hiermit meine ich den "Stillstand im Kopf" nicht den technischen Stillstand! Das "Festhalten an alten Denkweisen" ist bei den Spritzgießern das größte Problem . . .
"Haben wir immer so gemacht"
"Das geht nicht, haben wir schon oft genug probiert"
"Wer die bunten Bilder der Kurvengrafik braucht, hat keine Ahnung vom Spritzguss"
usw.
Alles Sprüche, die ich schon von den "alten Hasen" gehört habe . . .
Und die bilden dann auch noch die (armen) nichtsahnendeen jungen Leute aus WeinenWeinenWeinen
K.S.
Grünschnabel

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# 02.02.2016 - 12:25:50
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@Behrens: Meinen Sie mich mit Erfahrungen Einzelner? Gleichzeitig nehmen Sie für sich in Anspruch Branchenumfassend zu sprechen?

Ich habe darauf hingewiesen, dass Spritzerei nicht ein Unternehmen in sich ist, sondern Druck und falsches Verständnis von Außerhalb oftmals zu solchen Entwicklungen führt.
Wenn Sie mit "genau DIE mit den langjährigen Erfahrungen (die EwigGestrigen)" mich meinen, sollten Sie zuerst mal die Erfahrungen abfragen. Ich stehe zum pers. Gespräch gerne bereit. Veraergert

Nach 30 Jahren Spritzguß hat man was zu erzählen!
Behrens
Grünschnabel

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# 02.02.2016 - 12:45:54
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. . . nun mal wieder "Dampf vom Kessel" . . . Zwinker

@K.S. Wenn ich jemanden "meine", dann spreche ich ihn auch persönlich an!
Es braucht sich keiner "auf den Schlips getreten" fühlen, wenn man mal Zustände benennt oder aufzeigt . . .

Mein Text von vorhin lautet
"Es geht mir hier nicht um "Erfahrung Einzelner", es geht mir darum, den IST-Zustand der Branche aufzuzeigen."

Vielleicht nochmals genau lesen Zwinker